Immer im Wandel – die Geschichte des Braunschweiger Residenzschlosses
Über drei Jahrhunderte und drei Bauwerke reicht die Geschichte des Braunschweiger Residenzschlosses: Ab 1717 ließ Herzog August Wilhelm ein bestehendes Gebäude in ein Stadtschloss – den so genannten „Grauen Hof“ – umbauen. 1830 steckten es aufgebrachte Bürger und Bürgerinnen in Brand als sie den ungeliebten Herzog Karl II. aus Braunschweig vertrieben. Herzog Wilhelm ließ sein neues Schloss in klassizistischen Formen errichten, das nach starken Zerstörungen im Zweiten Weltkrieg 1960 abgerissen wurde. Heute sind die noch verwendbaren Steine dieses Baus im 2007 fertig gestellten rekonstruierten Schloss als dunklere Bauteile erkennbar. Das Gebäude beherbergt neben dem Schlossmuseum die Stadtbibliothek, das Stadtarchiv und den Fachbereich Kultur der Stadt Braunschweig (mit dem Kulturinstitut und der Abteilung Literatur und Musik). Es bildet den Eingang in das Einkaufszentrum Schloss Arkaden.
Ein Schloss für die Braunschweigischen Herzöge
Nicht Braunschweig, sondern Wolfenbüttel war seit 1432 Herrschaftssitz der über das Fürstentum Braunschweig-Wolfenbüttel regierenden Herzöge. Differenzen zur nahezu unabhängigen Stadt Braunschweig hatten sie zu diesem Schritt gezwungen. Nachdem es Herzog Rudolf 1671 schließlich gelungen war, die Stadt wieder zu unterwerfen, gab es jedoch kein angemessenes Schloss, das als Residenz dienen konnte. Erst Herzog August Wilhelm ließ 1717 an der Stelle des heutigen Schlosses den so genannten „Grauen Hof“ errichten. Das Schloss unterschied sich mit seinem von zwei Seitenflügeln umgebenen Ehrenhof zum Bohlweg hin stark vom heutigen Bau. Zunächst blieb es Nebenresidenz und nach dem Tod Herzog August Wilhelms Witwensitz für seine Frau Elisabeth Sophie Marie. Erst 1753/54 zog der gesamte Hof von Wolfenbüttel nach Braunschweig um.
Das Schloss wird Residenz, fällt in französische Hände und wird von Bürgern abgebrannt
Herzog Carl I., der die Residenz wieder nach Braunschweig verlegt hatte, gründete Institutionen, die noch heute Bestand haben: Die Technische Universität Braunschweig, die Norddeutsche Landesbank, die Öffentliche Versicherung, die Porzellanmanufaktur Fürstenberg. Das Braunschweiger Schloss wurde Schauplatz einer aufwändigen Hofhaltung, die Staatsschulden wuchsen an. Obwohl sein Sohn Carl Wilhelm Ferdinand zur Sanierung der Finanzen gezwungen war, gelang es ihm, den Mitteltrakt des Schlosses vollständig auszubauen. Für seine Frau Augusta ließ er das kleine Schlösschen Richmond bauen, stattdessen lebte zeitweise die Mätresse Luise von Hertefeld im Schloss. Sein Leben war jedoch vor allem geprägt von den napoleonischen Kriegen und endete 1806 in Folge schwerer Verletzungen in der Schlacht bei Jena und Auerstedt.
1807 wurde das französisch besetzte Herzogtum Braunschweig aufgelöst und ging in das neu geschaffene Königreich Westphalen ein. König Jérôme, der Bruder Napoleon Bonapartes, wollte das Braunschweiger Schloss als Winterresidenz nutzen und ließ es im französischen Empirestil umgestalten. Bevor der Umbau beendet werden konnte, löste sich 1813 das Königreich Westphalen jedoch wieder auf. Jérôme hat das Schloss verändert, jedoch nie bewohnt. Herzog Friedrich Wilhelm erlebte die Wiedererstellung seines Herzogtums durch den Wiener Kongress nur um wenige Tage: Er starb im Kampf gegen Napoleon kurz vor der Schlacht bei Waterloo. Seine früh zu Waisen gewordenen Söhne Karl und Wilhelm standen unter der Vormundschaft König Georgs IV. von England. Als Karl II. schließlich 1826 die Regierung übernahm, verhinderte er nötige Reformen, brachte das Herzogtum in wirtschaftliche Schwierigkeiten und zog den Zorn der Bevölkerung auf sich. 1830 kam es zum Aufstand, das Schloss wurde in Brand gesteckt und Karl II. floh.
Herzog Wilhelms lange Regierung, nicht-welfische Regenten und das letzte braunschweigische Herzogspaar
Nach der Flucht seines Bruders übernahm Herzog Wilhelm für über 50 Jahre die Regierung des Herzogtums Braunschweig. An Stelle des zerstörten „Grauen Hofes“ ließ er durch den Hofbaumeister Carl Theodor Ottmer ein Schloss in klassizistischen Formen errichten, das sogar für den Buckingham Palast in London zum Vorbild wurde. Ottmers Pläne waren noch größer gewesen: Eindrucksvolle Kolonnaden sollten sich halbrund zum Schlossplatz hin öffnen. Herzog Wilhelms Sparsamkeit ließ den Bau einfacher ausfallen und auch die von Ottmer geplante Quadriga wurde erst wesentlich später ausgeführt – als Geschenk zu Wilhelms 25. Regierungsjubiläum. 1837 bezog Herzog Wilhelm das Schloss, erst 1841 waren die Bauarbeiten abgeschlossen. Schon 1865 führte ein defektes Ofenrohr zu Zerstörung des gesamten Nordtraktes und nördlichen Hauptflügels – selbst die Quadriga stürzte durch die Hitze des Feuers vom Dach in den Mitteltrakt. Nach dem Wiederaufbau war es Herzog Wilhelms 50. Thronjubiläum, das noch einmal zu einer entscheidenden Veränderung führte: Der Thronsaal wurde 1881 neu ausgestattet.
Nach dem Tod Herzog Wilhelms 1884 bezogen erstmals nicht-welfische Regenten das Braunschweiger Schloss. Wilhelm hatte nie geheiratet und damit keine legitimen Erben hinterlassen. Da die hannoversche Welfen-Linie im österreichischen Exil von Preußen am Antritt der Regierung gehindert wurde, kam es zur Regentschaft Prinz Albrechts von Preußen. Nach seinem Tod folgte Johann Albrecht von Mecklenburg. 1913 kam aber schließlich noch einmal ein Welfe auf den braunschweigischen Thron und bezog das Schloss: Durch die Heirat mit der Kaisertochter Victoria Luise konnte Ernst August von Cumberland als Nachfahre des hannoverschen Königs Herzog von Braunschweig werden. Nur ein Jahr darauf brach der Erste Weltkrieg aus, zeitweise war ein Lazarett im Schloss untergebracht. Als erster Fürst dankte Herzog Ernst August am 8. November 1918 ab. Das Braunschweiger Schloss war kein Regierungssitz mehr.
Vom Kulturschloss zur SS-Junkerschule
Die Novemberrevolution führte zu einem Nutzungswandel für das Braunschweiger Schloss. Obwohl es nahezu keine Plünderungen oder Zerstörungen gegeben hatte, wurde ein Teil seiner Ausstattung entfernt: Die Einrichtungsgegenstände wurden verkauft oder abgegeben. Die Räume des Schlosses wurden neu genutzt und in den 1920er Jahren machten das Naturhistorische Museum, das Finanzamt, die Reichswehr- und Luftverkehrsstelle, das Institut für Geschichte der Technischen Hochschule, die norddeutsche Rundfunk AG, das Museum für fürstliche Kultur, die Kammerspiele des Landestheaters und die Gesellschaft der Freunde junger Kunst das Schloss zu einem Kulturort für die Öffentlichkeit.
Ab 1934 endete diese Nutzungsphase, da die nationalsozialistische Landesregierung das Schloss zur zweiten von insgesamt vier SS-Junkerschulen zur Ausbildung des SS-Offiziersnachwuchse umbauen ließ. Sämtliche dort untergebrachten Institutionen mussten das Gebäude räumen. Innerhalb von nur vier Monaten wurde der Grundriss des Schlosses zu diesem Zweck völlig verändert und die großzügigen repräsentativen Räume zugunsten kleinerer Zimmer aufgegeben. Nur ausgewählte historische Räumlichkeiten wie der repräsentative Palisandersaal blieben bestehen. Die SS-Junkerschule in Braunschweig war vom Sommer 1935 (zunächst als „SS-Führerschule“ bezeichnet) bis zum Frühjahr 1944 im Braunschweiger Schloss untergebracht und wurde aufgrund von Zerstörungen in Folge der alliierten Luftangriffe nach Treskau bei Posen verlegt.
Zerstörung, Abriss und Rekonstruktion
Ende des Zweiten Weltkrieges wurden ca. 50 Prozent des Schlosses durch Bombenangriffe zerstört. Pläne zum Teil-Wiederaufbau, die Nutzungen durch ein Hotel, eine Kongresshalle, Kinos, Restaurants und Vortragssäle vorsahen, scheiterten. Als Rechtsnachfolger des Freistaates Braunschweig gehörte das Schloss dem Land Niedersachsen, das es 1955 der Stadt Braunschweig übereignete. Eine Auflage der Übereignung war, innerhalb von fünf Jahren einen Wiederaufbau oder einen Abriss umzusetzen. Vor diesem Hintergrund kam es zur knappen Entscheidung für und die Ausführung des Abrisses 1960. Bauteile des Portikus und von einigen Säulen wurden erhalten und vergraben.
In den folgenden Jahrzehnten wurde das Schlossgelände zunächst als Parkgelände mit Parkplatz und ab 1973/74 ausschließlich als Parkfläche genutzt. Nach immer wieder aufkommenden Diskussionen um einen (Teil-)Wiederaufbau wurde schließlich (erneut mit knapper Mehrheit) 2003 die Rekonstruktion des Schlosses im Zusammenhang mit der Ansiedlung der Shopping-Mall „Schloss Arkaden“ beschlossen. Die nach dem Abriss vergrabenen Bauteile wurden zu diesem Zweck gesichert und ca. 650 „Altsteine“ konnte wiederverwendet werden. 2007 war der Bau fertiggestellt. Ermutigt durch die Fortschritte des Wiederaufbaus entschloss sich die Braunschweiger Richard Borek Stiftung, den Höhepunkt des Figurenschmucks am Schloss, die Quadriga, auf der Grundlage der historischen Quadrigen von 1863 und 1868 als Geschenk an die Stadt wiederherstellen zu lassen. Im Oktober 2008 erfolgte die Einweihung und Aufstellung der Quadriga auf dem Dach des Schlosses.
Ende 2006 fasste der Rat der Stadt den Beschluss zum schlossartigen Innenausbau des ersten Obergeschosses der Schlossrekonstruktion und damit zur Gründung des Schlossmuseums, welches am 9. April 2011 feierlich eröffnet wurde. Auf der Fläche des ehemaligen Schlosses befinden sich heute neben dem Schlossmuseum Kultureinrichtungen wie der Fachbereich Kultur der Stadt Braunschweig (mit dem Kulturinstitut und der Abteilung Literatur und Musik), das Stadtarchiv, und die Stadtbibliothek.
Weitere Literatur zur Schlossgeschichte finden Sie in unserem Museumsshop.
Das Residenzschloss im Spiegel der Braunschweiger Zeitung. Eine Artikelsammlung von 1954 bis 2012. Recherchieren Sie in Zeitungsberichten aus über 60 Jahren zu Nachkriegsgeschichte, Abriss und Wiederaufbau.